Griechenland bittet Touristen von Kreuzfahrtschiffen zur Kasse

Für die Bewohner der griechischen Inseln ist es ein alltägliches Ritual. Erst hören sie das Schiffshorn tuten. Dann folgt das Rasseln der Ankerkette. Und dann dauert es nicht mehr lange, bis sich der Strom der Besucher vom Hafen in die schmalen Gassen ergießt, sortiert nach Nationalitäten und angeführt von Reiseleitern mit bunten Fähnchen, damit die Besucherschar weiß, wo es langgeht.
In zwei Wochen wird der Landgang teurer. Ab Anfang Juli werden Kreuzfahrtpassagiere in den griechischen Häfen zur Kasse gebeten. Die offiziell als „Ankunftsgebühr“ bezeichnete Abgabe ist gestaffelt. Sie beträgt fünf Euro pro Person. An den Inseln Mykonos und Santorini, den beiden Top-Destinationen für Griechenland-Kreuzfahrten, werden 20 Euro fällig. Die Sätze gelten für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. September.
In der Vor- und Nachsaison wird es billiger. Dann beträgt die Gebühr auf Mykonos und Santorini zwölf Euro und auf den anderen Inseln drei Euro. In den Monaten November bis März kostet der Landgang auf Mykonos und Santorini vier Euro, auf den restlichen Inseln einen Euro. Ziel der Staffelung ist es, den Kreuzfahrttourismus besser zu steuern und die Besucherströme in die Vor- und Nachsaison zu verlagern, um Überfüllungen im Hochsommer zu vermeiden. Die Gelder sollen in den Ausbau der Häfen und der Infrastruktur auf den Inseln fließen.
Die Regierung hatte die neue Regelung bereits im vergangenen Jahr angekündigt. Die Einführung verzögerte sich aber auf den 1. Juli, weil die erforderlichen Verordnungen erst im Laufe dieser Woche erlassen werden.
Griechenland hat 2024 im Kreuzfahrttourismus einen neuen Rekord erzielt. 5490-mal legten Kreuzfahrtschiffe in griechischen Häfen an, ein Plus von fünf Prozent gegenüber 2023. Die Zahl der an Land gehenden Passagiere stieg im Jahresvergleich sogar um 13,5 Prozent auf 7,9 Millionen. Darunter sind allerdings viele Mehrfachzählungen: So wird ein Passagier, der in Piräus an Bord eines Kreuzfahrtschiffes geht, nicht nur dort statistisch erfasst, sondern auch bei jedem Landgang auf den Inseln erneut gezählt.

Segen und Fluch zugleich: Im Sommer ist Mykonos völlig überlaufen. Foto: IMAGO/Michael Bihlmayer
Quelle: IMAGO/Bihlmayerfotografie
Rechnet man diese Mehrfachzählungen heraus, kamen im vergangenen Jahr nach Angaben des internationalen Kreuzfahrtverbandes CLIA 1,86 Millionen Kreuzfahrtpassagiere nach Griechenland.
Piräus ist Ausgangshafen vieler Kreuzfahrten und verzeichnete im vergangenen Jahr 1,73 Millionen Passagiere. Danach folgten Santorini mit 1,35 Millionen und Mykonos mit 1,29 Millionen Kreuzfahrtbesuchern. Nach Angaben des Tourismus-Forschungsinstituts Insete brachten die Kreuzfahrtgäste vergangenes Jahr 1,1 Milliarden Euro ins Land.
Die Zeichen stehen auf Wachstum. Die Hafengesellschaft von Piräus, die vom chinesischen Staatskonzern Cosco kontrolliert wird, investiert gerade mehre hundert Millionen in den Bau eines neuen Kreuzfahrtterminals. Griechenlands größter Hafen will damit seine Rolle als Ausgangspunkt für Kreuzfahrten im östlichen Mittelmeer stärken. Bisher starten die meisten Reedereien ihre Fahrten zu den griechischen Inseln in italienischen Häfen.
Manche sehen den Kreuzfahrtboom als Segen, andere als Fluch. Viele Andenkenhändler, Modegeschäfte und Juweliere auf den Inseln machen einen Großteil ihrer Umsätze mit den Kreuzfahrtpassagieren. Die Tavernen und Bars profitieren dagegen kaum. Zum Essen kehren die Kreuzfahrer auf ihr Schiff zurück, dort warten die Schlemmerbuffets. Auf den Inseln bleiben leere Wasserflaschen und Bierdosen zurück.
Viele Inseln können den Ansturm nicht mehr verkraften. Vor Mykonos und Santorini ankern in den Sommermonaten an manchen Tagen fünf oder sechs dieser Kreuzfahrtriesen. Dann strömen binnen weniger Stunden 10.000 Besucher oder mehr in die Inselorte. Das meiste Geld bleibt auf den Schiffen. An den Landausflügen verdienen vor allem die Reedereien.
Vielen Inselbewohnern reicht es. Auf Santorini trampeln Touristen durch private Gärten und steigen bei der Suche nach einer idealen Location für das Selfie sogar auf Terrassen und Hausdächer. Bewohner haben große Schilder mit der Aufschrift „Privat“ an ihren Grundstücken angebracht. Vielerorts sieht man in den Gassen auch Schilder mit der Aufschrift: „Respekt! Es ist Ihr Urlaub, aber unser Zuhause.“
Geld wird die neue Abgabe in jedem Fall einbringen, zumal die Kreuzfahrtbranche in Griechenland dieses Jahr mit einem Passagierplus von etwa zehn Prozent rechnet. Abzuwarten bleibt, wofür die Einnahmen verwendet werden und ob sie tatsächlich dazu beitragen, die Besucherströme übers Jahr zu entzerren.
rnd